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Aufbau eines konzentrierten Portfolios

Die von Val Jensen im Jahr 1988 gegründete Investmentfirma Jensen Investment Management mit Sitz in Lake Oswego, Oregon konzentriert sich auf die Investition in Unternehmen, die langfristig anhaltend hohe Eigenkapitalrenditen vorweisen können.

In einem aktuellen Artikel mit dem Titel „Why Invest in Quality?“ geht Jensen der Frage nach, wie das Kriterium Qualität beim Investieren definiert werden kann und welche Schlüsselfaktoren für den Aufbau eines qualitätsorientierten, konzentrierten Aktienportfolios entscheidend sind.

Bei einem kurzen Blick auf die Top 10 der zuletzt von Jensen veröffentlichten Portfoliobestände wird sehr schnell deutlich, dass die einzelnen Investments für qualitativ hochwertige Unternehmen stehen.

Jensen Investment Management Aktienportfolio per 30.09.2021

Während der Einleitung in die Thematik stellt Jensen fest, dass der Faktor Qualität bereits seit den 1930er Jahren die Grundlage für viele Anlageansätze war, bis dato aber kein einzelnes Aktienmerkmal identifiziert werden konnte, das als Indikator für Qualität dienen könnte.

So kamen die Autoren Jason Hsu, Vitali Kalesnik und Engin Kose in einem Papier aus dem Jahr 2019 mit dem Titel „What is Quality?“ (Financial Analysts Journal, Seite 44-61) dann auch zu dem Ergebnis, dass es im Gegensatz zu Standardfaktoren wie Value, Momentum oder Größe an einer allgemein akzeptierten Definition für Qualität fehlt. Qualität ist eher subjektiv.

Da es keinen einheitlichen Richtwert für Qualität gibt, verwenden Investmentmanager eine Vielzahl von Kennzahlen und Ansätzen, um ihre Qualitätsstrategien zu konstruieren. Zu den gemeinsamen Merkmalen zur Definition von Qualität gehören Wachstum (z.B. Gewinnwachstum oder Dividendenwachstum), Rentabilität (z.B. Eigenkapitalrendite) oder Stabilität (z.B. Gewinnschwankungen).

Zudem stellten Hsu, Kalesnik und Kose in ihrer Studie fest, dass einige Qualitätsmessungen robuster waren als andere. Sie schlüsselten die einzelnen Metriken auf, die zur Erstellung von Qualitätsfaktor-Indizes verwendet wurden, und analysierten, ob die Metriken „robuste“ Prädiktoren für zukünftige Überrenditen und risikoadjustierte Renditen waren.

Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Rentabilität, die Qualität der Rechnungslegung, Dividenden-Ausschüttungsquote und Kapitalverwässerung robust zu sein scheinen, während Ertragsstabilität, Kapitalstruktur und Rentabilitätswachstum nicht robust sind.

Da das Kriterium Qualität nicht einfach zu definieren ist, verfolgt Jensen Investment Management den Ansatz, mit einer robusten Kennzahl zu beginnen und die Liste der zulässigen Wertpapiere anhand zusätzlicher subjektiver Qualitätsmaßstäbe zu verfeinern. Ziel ist der Aufbau eines qualitätsorientierten, konzentrierten Portfolios.

Jensens Anlagestrategie lässt sich in drei Kernpunkten zusammenfassen:

  1. Messlatte hochlegen: Definition eines Universums von Unternehmen, das durch ein robustes Qualitätsmaß wie die Eigenkapitalrendite (ROE) gekennzeichnet ist.
  2. Gründliche Recherche: Treffen eines fundierten Urteils darüber, ob ein Unternehmen nachhaltige Wettbewerbsvorteile besitzt, indem jeder Aspekt des Unternehmens gründlich untersucht wird.
  3. Kontinuierlich evaluieren: Regelmäßige Überprüfung der Portfoliobestände um sicherzustellen, dass die Unternehmen die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen; Integration von neuen Marktinformationen sobald sie verfügbar sind.

Messlatte hochlegen

Zur Indentifikation von Unternehmen, die das Potenzial haben, über lange Zeiträume attraktive Renditen zu erzielen und gleichzeitig Volatilität und Risiko zu reduzieren, konzentriert sich Jensen Investment Management primär auf den Faktor Eigenkapitalrentabilität (ROE).

Der ROE wird berechnet, indem der Jahresüberschuss des Unternehmens nach Steuern durch das bilanzierte Eigenkapital dividiert wird. Die Eigenkapitalrendite zeigt die Höhe der Gewinne, die mit jedem in das Unternehmen investierten Dollar an Eigenkapital erzielt werden, und ist ein wertvoller erster Überblick über die Rentabilität und den Shareholder Value eines Unternehmens.

Basierend auf der Investmenterfahrung aus mehr als dreißig Jahren geht Jensen davon aus, dass der ROE verwendet werden kann, um eine Auswahl qualitativ hochwertiger, profitabler Unternehmen zu identifizieren.

Zunächst bestimmt das Investmentteam von Jensen ein Anfangsuniversum von Unternehmen, die in mindestens zehn aufeinanderfolgenden Jahren einen ROE von 15% oder mehr erwirtschaftet haben. Jensen glaubt, dass dieses Universum Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen und starkem Wachstumspotenzial enthält.

Gründliche Recherche

Um die Qualität eines Unternehmens über den ROE hinaus zu bestimmen, müssen jedoch alle zugrunde liegenden Elemente untersucht werden, einschließlich:

  • Lesen von Jahresberichten, Regierungsunterlagen, Unternehmenswebsites und relevanten Nachrichten
  • Bestimmung von Risiken, einschließlich finanzieller, ökologischer, sozialer und Governance-Fragen.
  • Bewertung der Unternehmensgeschichte, der Branche, des Geschäftsmodells, der Strategie, des Managements, der Wettbewerbsvorteile, der Markteintrittsbarrieren, der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken.
  • Treffen mit Managementteams des Unternehmens und Recherche zu den Mitbewerbern des Unternehmens.
  • Aufbau eigener Finanzmodelle zur Bewertung von Rentabilität, Finanzkraft, zukünftigen Cashflows und letztendlich des beizulegenden Zeitwerts des Unternehmens.

Wenn das Screening auf der Grundlage eines konstant hohen ROE das investive Äquivalent zur Überprüfung des Lebenslaufs eines Unternehmens ist, repräsentiert die Recherche aus Sicht von Jensen das Vorstellungsgespräch und die Hintergrundprüfung.

Indikatoren für Wettbewerbsvorteile sind typischerweise bevorzugte Markennamen, differenzierte Produkte, einzigartige Herstellungsverfahren, technisches Know-how, Patente und geistiges Eigentum, ein starker Netzwerkeffekt und Skaleneffekte.

Für den Aufbau eines konzentrierten Portfolios sollten Aktionäre nach Einschätzung von Jensen zuversichtlich sein, dass die Unternehmen in die sie investieren, in der Lage sind, zu bestehen und zu wachsen, anstatt möglicherweise von einem Disruptor mit einem neuen Produkt oder Geschäftsmodell entthront zu werden.

Darüber hinaus ist ein starker und wachsender freier Cashflow in der Regel ein Indikator für ein qualitativ hochwertiges Geschäft mit Wettbewerbsvorteilen. Eine hohe Rentabilität ermöglicht es einem Unternehmen, Gewinne in sein Geschäft zu reinvestieren, um bestehende Einkommensströme zu schützen und innovative Waren und Dienstleistungen für zukünftiges Wachstum zu entwickeln.

Nach den Wiederanlagekosten generiert ein hochprofitables Unternehmen in der Regel auch einen beträchtlichen freien Cashflow. Also das Geld, das übrig bleibt, um es in Form von Aktienrückkäufen und Dividenden an die Anleger auszuzahlen. Das heißt, ein ideales, qualitativ hochwertiges Unternehmen kann sowohl in seine Zukunft investieren als auch seine Aktionäre belohnen.

Kontinuierlich evaluieren

Nachdem die qualitativ hochwertigsten Unternehmen für Investitionen ausgewählt wurden, ist es wichtig, diese Unternehmen fortlaufend zu bewerten. Aufgrund ihrer allgemeinen Stärke und marktbeherrschenden Stellung sind Qualitätsunternehmen in der Regel bereit, kurzfristige Marktschwankungen zu überstehen.

Dies disponiert sie laut Jensen für eine langfristig orientierte Anlagestrategie, die über komplette Marktzyklen gemessen wird und nicht an kurzfristigen Gewinnen oder Verlusten. Anlagestile und Anlageklassen können während Marktzyklen aufgrund makroökonomischer Veränderungen oder der Anlegerstimmung an Beliebtheit gewinnen oder an Popularität verlieren.

Allerdings macht aus Sicht von Jensen eine „Buy-and-hold-forever“ Strategie aber selbst für langfristig orientierte Investoren wenig Sinn. Denn so hoch die Qualität eines Unternehmens zum Zeitpunkt des Kaufs auch sein mag, die Qualität kann mit der Zeit nachlassen.

Daher kommen für Jensen Investment Management folgende Verkaufsgründe in Frage:

  • Die Aktie erreicht ihren vollen Inneren Wert. Wenn eine Aktie zu einer angemessenen Bewertung erworben wird, kann das Unternehmen schließlich den von einem Investor geschätzten vollen Wert erreichen. Der Verkauf von Aktien, die diese Marke erreicht haben, verbunden mit der Reinvestition in günstiger bewertete Gelegenheiten, zielt darauf ab, die erwarteten Renditen zu steigern und das Kursrisiko zu verringern.
  • Der ROE eines Unternehmens fällt unter 15%. Sollte der ROE eines Unternehmens unter die 15%-Schwelle fallen, könnte dies darauf hindeuten, dass die Wettbewerbsvorteile des Unternehmens ins Wanken geraten. Jensen glaubt, dass der Wegfall des Engagements in Unternehmen, die den ROE-Schwellenwert nicht mehr erreichen, das Risiko reduziert und die konsistente Umsetzung der Strategie sicherstellt.
  • Bessere Investitionsmöglichkeiten. Positionen können liquidiert werden, weil es andere Anlagemöglichkeiten mit stärkeren Fundamentaldaten und/oder einer attraktiveren Bewertung gibt.

Um das Potenzial für überdurchschnittliche risikobereinigte Renditen zu erhöhen verfolgt Jensen die Strategie, die Portfoliobestände und potenziellen Beteiligungen kontinuierlich zu überwachen und auf neue Informationen zu reagieren, um so die grundlegende Qualität des Aktienportfolios zu maximieren.

Zusammenfassung

Auch wenn es keine branchenübliche Definition für Qualität gibt, ist Qualität für viele Investmentstrategien ein Anlageziel geblieben. Die akademische Forschung hat gezeigt, dass es einige robuste, getestete Qualitätsmaßstäbe gibt, die einen Ausgangspunkt für den Aufbau eines effektiven Qualitätsanlageansatzes bieten.

Jensen Investment Management glaubt, dass die Verwendung einer robusten Kennzahl wie die Eigenkapitalrendite als Ausgangspunkt, gefolgt von gründlicher Recherche auf Unternehmensebene sowie die ständige Neubewertung aller Faktoren, eine langfristige und stabile Anlagestrategie für den Aufbau von konzentrierten Aktienportfolios gewährleistet.

Quelle:

Why Invest in Quality? Jensen Investment Management, 14. Januar 2022

In Kategorie: Miscellaneous

Über den Autor

Veröffentlicht von

Guten Tag, mein Name ist Mario Wolff. Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Value Investing. Wenn Du magst, kannst Du meinem Blog auf Twitter folgen oder den Feed abonnieren.

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