Bruce Greenwald über Value Investing

Bruce Greenwald ist Professor für Finanzen und Inhaber des Graham und Dodd Lehrstuhls an der amerikanischen Columbia Universität. Greenwald gilt als einer der führenden akademischen Experten im Bereich Value Investing. In Deutschland wurde Bruce Greenwald insbesondere als Autor des bereits im Jahr 2002 veröffentlichten „Handbuch Value Investing“ (ISBN: 978-3527500079) bekannt.

Valueinvesting.de, 16. November 2008

Nachdem die Börsen in 2008 weltweit deutlich eingebrochen sind, äußerte sich Greenwald vergangene Woche auf usnews.com und gab eine Einschätzung zu den derzeitigen Gelegenheiten am Aktienmarkt.

Greenwald hält das derzeitige Marktumfeld für einen wirklich guten Grund, Value Investor zu sein. So könnten Anleger beim Blick auf die sich momentan ergebenden Gelegenheiten durchaus ihren Kopf verlieren. Bruce Greenwald vergleicht die aktuelle Situation mit dem Ende des Jahres 1974. Damals wurden gute Aktien gerade einmal für das dreifache ihrer normalen Jahreserträge gehandelt und Aktien, die gewöhnlich nicht unter dem 20fachen ihrer laufenden Gewinne verkauft werden, notierten an der Börse mit Kurs-Gewinn-Verhältnissen von um die 10. Greenwald hält die Gegenwart für eine spannende Zeit. Das in der nahen Zukunft schmerzvolle makroökonomische Umfeld, von dem niemand sagen kann, wie lange es andauern wird, ist nach Greenwalds Worten eine befristete Angelegenheit.

Allerdings sollen sich Anleger bei der Suche nach günstigen Aktien nicht auf die jüngsten Unternehmensergebnisse verlassen. Als Beispiel führt Bruce Greenwald die Ergebnisse der Stahlindustrie an, in der bis vor kurzem noch sehr hohe Gewinne veröffentlicht wurden, sodass Stahl Aktien gerade einmal zu dem vier- bis fünffachen ihrer zuletzt berichteten Erträge gehandelt werden. Auf Basis dieser Gewinne sehen diese Aktien nach einer 20%-Rendite-Gelegenheit aus, allerdings werden die Unternehmensgewinne nicht nachhaltig sein. Greenwald führt in diesem Zusammenhang an, dass die Gewinne der Stahlunternehmen vor fünf Jahren, bevor in der Branche enorme Kapazitäten aufgebaut wurden, nur etwa einem Drittel bis einem Viertel ihrer heutigen Ertragskraft entsprochen haben. Investoren rät er, sich von Aktien, die auf Basis ihrer „Gewinnspitzen“ billig erscheinen, fernzuhalten. Stattdessen sollen Anleger lieber nach Aktien suchen, die durch ihre Vermögenswerte geschützt sind.

Um sich vor übertriebenen Unternehmensgewinnen abzusichern, sollen sich Investoren niemals auf aktuelle oder erst kürzlich veröffentlichte Gewinnzahlen stützen. Diese Aussage gilt laut Bruce Greenwald insbesondere für Sektoren wie Öl Aktien, von denen heute bekannt ist, dass ihre Gewinne inflationiert sind und zurückkommen müssen. Typische Value Investoren benötigen daher eine nachhaltige Gewinn-Zahl, die sich an dem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis eines gesamten Konjunkturzyklusses orientiert. Greenwald nennt als adäquaten Zeitraum eine Dauer von 10 bis 12 Jahren, die Anleger betrachten müssen, um ein Gefühl für die durchschnittlichen Gewinnmargen eines Unternehmens oder einer Branche zu entwickeln. Dies sind auch die Gewinn-Zahlen, die Anleger verwenden sollen. Des Weiteren gibt Bruce Greenwald den Ratschlag, dass die durch den Anleger verwendeten Kurs-Gewinn-Verhältnisse nachhaltig sein müssen. Investoren sollen deshalb sicherstellen, dass die Qualität der Gewinne entweder durch Vermögenswerte, oder über einen dauerhaft bestehenden Wettbewerbsvorteil, wie Warren Buffett ihn versteht, gerechtfertigt sind. Andere Unternehmen, auch wenn sie zur Zeit eine Menge Geld verdienen, sind nach Aussage Greenwalds im Wettbewerb zu anfällig.

Im gegenwärtigen Marktumfeld gibt Bruce Greenwald den Ratschlag, nicht die kurzfristige Zukunft vorhersehen zu wollen. Viele Investoren vergleichen die aktuelle Kreditkrise mit vergleichbaren Situationen aus der Vergangenheit und wagen eine Aussage über die mögliche Dauer der derzeitigen Probleme. Für Bruce Greenwald ist die momentane Finanzkrise ein vorübergehendes Problem, auf das sich Investoren nicht konzentrieren sollten. Vielmehr hat die Finanzkrise für ihn zu Gelegenheiten am Obligationen- und Anleihenmarkt geführt, da Banken beispielsweise vorrangig besicherte Schuldverschreibungen für etwa 50 – 70% ihres Wertes verkaufen. Dies impliziert für Greenwald eine Rendite von über 15%, da die Käufer dieser Papiere mit Ausnahme des Insolvenzfalls aller Wahrscheinlichkeit nach ihre Zahlungen erhalten werden.

Seine allgemeingültigen Aussagen zum derzeitigen Aktienmarkt schloss Greenwald mit einem Renditevergleich im Bereich der Investmentfonds ab. Für Bruce Greenwald ergibt sich ein Renditeunterschied von durchschnittlich 6% p.A., wenn die Wertentwicklung der Fonds mit einer nach den tatsächlich getätigten Einlagen gewichteten durchschnittlichen Rendite gegenübergestellt wird. Nach Aussage von Bruce Greenwald lässt sich der Renditeunterschied in genannter Größenordnung über alle Investmentfonds Kategorien nachvollziehen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass die Anleger in Summe zum exakt falschen Zeitpunkt kaufen und zum exakt falschen Zeitpunkt verkaufen. In der aktuellen Situation gehen Anleger, die ihre Wertpapiere gerade verkaufen, somit genau zum falschen Zeitpunkt aus dem Aktienmarkt heraus. Richtig wäre stattdessen eine stetige und wohlüberlegte Strategie, an der der Anleger festhält.