Kennzahlen zur Aktien-Anlayse

Aktien-Analyse mittels KennziffernBei der Verwendung von Kennzahlen in der Aktien-Analyse gibt es einige Aspekte, die beachtet werden sollten. Zum einen lassen sich bestimmte Kennziffern als im Wesentlichen ähnlich in einer Gruppe zusammenfassen, wie zum Beispiel Bilanzkennzahlen, Rentabilitätskennzahlen oder Kurs- / Gewinnkennzahlen.

Ein besonderer Aspekt bei der Kennzahlen-Analyse von Aktien besteht darin, dass der Investor eine bestimmte Kennziffer für den einen, und eine weitere Kennziffer für einen anderen Zweck verwendet. Die verschiedenartige Benutzung von Kennzahlen resultiert aus dem Versuch, im Rahmen der Aktien-Analyse unterschiedliche Fragen zu beantworten.

Die folgenden Bewertungskennzahlen hat Benjamin Graham in Kapitel II. „Analyse von Jahresabschlüssen“ in seinem gemeinsam mit David Dodd verfassten Grundlagenwerk „Security Analysis“ (deutsche Linzenzausgabe von 1999 des FinanzBuch Verlages) herausgearbeitet.

Bilanzkennzahlen

Nettoumlaufvermögen (Working Capital)

Umlaufvermögen – kurzfristige Verbindlichkeiten

Das Nettoumlaufvermögen ist die Differenz zwischen dem Umlaufvermögen eines Unternehmens, wie Bargeld, Forderungen (unbezahlte Rechnungen der Kunden) und Vorräten an Rohstoffen und Fertigwaren sowie den kurzfristigen Verbindlichkeiten wie z.B. die Verbindlichkeiten aus Lieferantenrechnungen.

Die Kennzahl des Nettoumlaufvermögens ist ein Maß für die Liquidität eines Unternehmens und bezieht sich auf die Differenz zwischen dem operativen Umlaufvermögen und den betrieblichen kurzfristigen Verbindlichkeiten.

Das Nettoumlaufvermögen ist ein Maß für die Liquidität, die betriebliche Effizienz und die kurzfristige finanzielle Stärke eines Unternehmens. Wenn ein Unternehmen über ein beträchtlich positives Nettoumlaufvermögen verfügt, sollte es das Potenzial haben, zu investieren und zu wachsen.

Liquidität zweiten Grades (Current Ratio)

Umlaufvermögen : kurzfristige Verbindlichkeiten

Das Current Ratio ist eine Liquiditätskennzahl, die die Fähigkeit eines Unternehmens misst, kurzfristige oder innerhalb eines Jahres fällige Verpflichtungen zu erfüllen. Es zeigt Investoren, wie ein Unternehmen das kurzfristige Vermögen in seiner Bilanz maximieren kann, um seine aktuellen Schulden und sonstigen Verbindlichkeiten zu begleichen.

Ein aktuelles Verhältnis, das dem Branchendurchschnitt entspricht oder geringfügig höher ist, wird allgemein als akzeptabel angesehen. Eine aktuelle Quote, die unter dem Branchendurchschnitt liegt, kann auf ein höheres Risiko hinweisen. Wenn ein Unternehmen im Vergleich zu seiner Vergleichsgruppe eine sehr hohe Quote aufweist, weist dies darauf hin, dass das Management seine Vermögenswerte möglicherweise nicht effizient einsetzt.

Die Kennzahl Liquidität zweiten Grades wird als „kurzfristig“ bezeichnet, da sie im Gegensatz zu einigen anderen Liquiditätskennzahlen alle kurzfristigen Vermögenswerte und kurzfristigen Verbindlichkeiten umfasst. Das Current Ratio wird manchmal auch als „Working Capital Ratio“ bezeichnet.

Benjamin Graham nannte als Standard für Industriegesellschaften ein Minimum von zwei Dollar Umlaufvermögen für jeden Dollar kurzfristiger Verbindlichkeiten.

Liquidität ersten Grades (Quick Ratio)

(Umlaufvermögen – Vorräte) : kurzfristige Verbindlichkeiten

Die Liquidität ersten Grades ist ein Indikator für die kurzfristige Liquiditätsposition eines Unternehmens und misst die Fähigkeit eines Unternehmens, seine kurzfristigen Verpflichtungen mit seinen liquidesten Vermögenswerten zu erfüllen.

Das Quick Ratio zeigt die Fähigkeit eines Unternehmens an, Vermögenswerte, die schnell in Bargeld umgewandelt werden können, sofort zur Tilgung seiner kurzfristigen Verbindlichkeiten zu verwenden Das Umlaufvermögen ohne Vorräte muss nach Benjamin Graham zumindest den kurzfristigen Verbindlichkeiten entsprechen.

Umlaufvermögensüberschuss (Current Asset Value)

Umlaufvermögen – (Bilanzsumme abzüglich Eigenkapital)

Der Umlaufvermögensüberschuss ist eine von Benjamin Graham erstellte Kennziffer, um die Attraktivität einer Aktie zu messen. Er ist eine wichtige Messgröße für Value Investoren und wird berechnet, indem das Umlaufvermögen eines Unternehmens genommen und die Gesamtverbindlichkeiten abgezogen werden.

Der Umlaufvermögensüberschuss ähnelt dem Nettoumlaufvermögen. Aber anstatt die kurzfristigen Verbindlichkeiten vom kurzfristigen Vermögen abzuziehen, werden die gesamten Verbindlichkeiten vom Umlaufvermögen abgezogen.

Buchwert (bereinigt)

bilanzierter Buchwert des Eigenkapitals – Goodwill

Sofern eine Aufschlüsselung weiterer immaterieller Vermögenswerte vorliegt, sind diese ebenfalls vom Eigenkapital abzuziehen, sofern sie keinen „echten“ Vermögenswert darstellen.

Foolish Flow Ratio

(Umlaufvermögen – liquide Mittel) : (kurzfristige Verbindlichkeiten – kurzfristige Schulden)

Werte unter 1,00 bedeuten, dass die Lieferanten des Unternehmens das Inventar und die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen finanzieren.

Rentabilitätskennzahlen

Gesamtkapitalrentabilität (Return on Invested Capital Ratio – ROIC)

(Jahresüberschuss + Gewinnanteile anderer Gesellschafter) : materielle Vermögenswerte

Die Gesamtkapitalrentabilität ist eine Kennziffer, mit der die Effizienz eines Unternehmens bei der Allokation des von ihm kontrollierten Kapitals für Investitionen bewertet wird. Sie gibt einen Eindruck davon, wie gut ein Unternehmen sein Kapital zur Erzielung von Gewinnen einsetzt.

Die Kennzahl ist das breiteste Maß für die Fähigkeit von Unternehmen, Vermögenswerte rentabel zu nutzen. Sie setzt sich aus den beiden Komponenten „Kapitalumschlag“ und „Gewinnquote“ (auch Umsatzrendite genannt) zusammen.

Kapitalumschlag (Asset Turnover)

Umsatz : materielle Vermögenswerte

Mit der Kennzahl Kapitalumschlag wird der Wert der Erlöse eines Unternehmens im Verhältnis zum Wert seiner Vermögenswerte gemessen. Der Kapitalumschlag kann als Indikator für die Effizienz verwendet werden, mit der ein Unternehmen seine Vermögenswerte zur Erzielung von Einnahmen verwendet. Änderungen geben oftmals den ersten Hinweis auf Veränderungen innerhalb der Gesellschaft.

Gewinnquote (Net Profit Margin)

(Jahresüberschuss + Gewinnanteile anderer Gesellschafter) : Umsatz

Die Gewinnquote, Nettogewinnmarge oder auch Umsatzrendite genannt misst, wie viel Nettoeinkommen oder Gewinn als Prozentsatz des Umsatzes generiert wird. Dies ist das Verhältnis von Nettogewinn zu Umsatz für ein Unternehmen oder ein Geschäftsfeld. Die Gewinnquote wird normalerweise als Prozentsatz ausgedrückt, kann aber auch in Dezimalform dargestellt werden. Die Kennzahl zeigt, wie viel von jedem Dollar Umsatz den ein Unternehmen erzielt, in Gewinn umgewandelt wird.

Eigenkapitalrentabilität (Return on Common Equity – ROE)

Jahresüberschuss : (Eigenkapital – Goodwill)

Die Eigenkapitalrentabilität ist die zweitwichtigste Rentabilitätskennzahl nach der Gesamtkapitalrendite. Der Investor vergleicht über diese Kennzahl Aktien mit festverzinslichen Wertpapieren. Da das Eigenkapital dem Vermögen eines Unternehmens abzüglich seiner Schulden entspricht, wird die Eigenkapitalrendite auch als Rendite des Nettovermögens betrachtet.

Kurs-/Gewinnkennzahlen

Graham-KGV (5 Jahre)

mittlerer Kurs der letzten 5 Jahre : mittlerer Gewinn je Aktie der letzten 5 Jahre

Bei der Berechnung des Graham-KGV werden die durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnisse in einer 5-Jahres-Periode über die durchschnittlichen Gewinne sowie über den Durchschnitt der jährlichen Durchschnittskurse (Mean Price) ermittelt.

Das Graham-KGV glättet das einfache Kurs-Gewinn-Verhältnis in einem Mehrjahreszeitraum und gibt einen guten Hinweis darauf, welches KGV die Börse einem bestimmten Unternehmen in der Vergangenheit im Durchschnitt zugestanden hat.

Damit ist diese Kennzahl ein gutes Maß für die KGV-Bewertung von Aktien.

Stabilitätskennzahlen

Rückgang des Gewinns

Zur Berechnung des Gewinnrückgangs wird der geringste Jahresüberschuss in den letzten 5 oder 10 Jahren ins Verhältnis zu dem Durchschnitt der vorhergehenden 3 Jahre gesetzt. Dies gibt Aufschlüsse darüber, wie ernsthaft ein vorübergehender Rückschlag war, beispielsweise in der Finanzkrise 2008/2009.

Rückgang der Rentabilität

Die Gesamtkapitalrentabilität des Jahres mit dem geringsten Jahresüberschuss in den letzten 5 oder 10 Jahren wird ins Verhältnis der durchschnittlichen Gesamtkapitalrentabilität der vorhergehenden 3 Jahre gesetzt. Das Ergebnis ist der größte prozentuale Rückgang der Gesamtkapitalrentabilität.

Da zur Berechnung der Stabilität der Gewinne eines Unternehmens der prozentuale Rückgang der Rentabilität ermittelt wird, kommt aus Gründen der Vereinfachung die Gesamtkapitalrendite auf Basis der kompletten Bilanzsumme (nicht wie bei Berechnung der Gesamtkapitalrentabilität dargelegt auf Basis der materiellen Vermögensgegenstände) zur Anwendung.

Qualität der Schulden

Zinsdeckungsgrad

Zinsaufwendungen : Operativer Cashflow

Der Zinsdeckungsgrad ist ein Schulden- und Rentabilitätsgrad, anhand dessen bestimmt wird, wie leicht ein Unternehmen Zinsen für seine ausstehenden Schulden zahlen kann.

Benjamin Graham verwendete zur Berechnung des Zinsdeckungsgrades in Security Analysis den Betriebs-Cashflow, wobei der Ausdruck „Cash-Flow“ nicht immer in einem engen technischen Sinne benutzt wurde. Für die Bestimmung des Zinsdeckungsgrades kann daher auch einfach der vom Unternehmen ausgewiesene Nettogewinn verwendet werden.

Im Private-Equity Bereich wird anstelle des Cashflows gerne mit dem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) oder dem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) eines Unternehmens gerechnet.

Anmerkungen zur Kennzahlenanalyse

Da heutzutage die meisten Kennzahlen über Online-Plattformen wie Yahoo Finanzen, Onvista oder MarketScreener für jeden frei verfügbar sind, müssen sich Investoren darüber im Klaren sein, dass sie durch Verwendung dieser Daten bei der Analyse von Aktien nicht mehr automatisch im Vorteil gegenüber anderen Investoren sind, wie es beispielsweise Warren Buffett in den frühen Tagen seiner Investmentkarriere noch war.

Dies bedeutet aber nicht, dass Anleger auf die Kennzahlenanalyse generell verzichten sollten. Vielmehr geht es darum, bei der Aktien-Analyse mittels Kennzahlen die analysierten Daten richtig zu interpretieren. Was waren zum Beispiel die Gründe für einen Gewinnrückgang? Weshalb ist der Zinsdeckungsgrad eines Unternehmens gesunken? Warum hat sich die Eigenkapitalrentabilität erhöht oder verringert?

Der Schlüssel beim Investieren ist, sich bei der Aktien-Analyse auf Unternehmen aus seinem persönlichen Kompetenzbereich zu beschränken und ein potenzielles Investment dann näher ins Auge zu fassen, wenn sich die Kennzahlen eines gut bekannten Unternehmens beziehungsweise einer Aktie im eigenen Sinne entwickeln. Gemäß dem folgenden Zitat von Benjamin Graham wird das früher oder später auch passieren.

Viele werden auferstehen, die jetzt gefallen sind und viele werden fallen, die jetzt in Ansehen stehen. – Vorwort zu Security Analysis von Benjamin Graham