Bill Nygren sieht außergewöhnliche Kaufgelegenheiten am Aktienmarkt

Bill Nygren, ein renommierter Value Investor und Manager des amerikanischen Oakmark Select Funds, wurde durch den über die letzten Monate stattfindenden Kursverfall von Finanzaktien schwer getroffen.

Valueinvesting.de, 06. Januar 2008

Diesbezüglich wendete er sich bereits vor Weihnachten an seine Anteilseigner, da zum Jahresende viele von ihnen die unterschiedlichen Investments, die sie besitzen, auswerten. Zur Darstellung der derzeitigen Situation unterteilte er dabei die im Oakmark Funds enthaltenen Aktien in vier verschiedene Kategorien.

Zu der ersten Kategorie Aktien, die Bill Nygren zu den heutigen Preisen nicht mehr kaufen würde, gehören beispielsweise die Restaurantketten McDonald’s und Yum Brands. Bei Investments innerhalb dieser Kategorie handelt es sich weiterhin um Aktien von großartigen Unternehmen, die ihre Inneren Werte, seit Bill Nygren sie gekauft hat, mehr als ursprünglich prognostiziert gesteigert haben.

Ihre Aktienkurse haben sich jedoch noch stärker verteuert, sodass die Unternehmen zur Zeit recht nah an den von Nygren selbst gesteckten Zielkursen für einen Verkauf notieren.

In die nächste Kategorie fallen die meisten von Nygren gehaltenen Aktien, die sich etwa wie erwartet entwickelt haben – einige von ihnen etwas besser und andere ein wenig schlechter – und nach Nygrens Einschätzung gegenwärtig immer noch einen Kauf rechtfertigen würden. Auf der Liste dieser Aktien stehen solch bekannte Unternehmen wie Bristol-Myers Squibb, Dell, Intel, JPMorgan, Viacom oder Xerox.

Bill Nygren erwartet, dass sich einige dieser Aktien innerhalb des Jahres 2008 in die erste Kategorie hinein bewegen werden.

Die dritte Aktienkategorie beinhaltet drei Unternehmen, die sich nach Nygrens Käufen zuerst recht positiv entwickelten, danach aber fundamental enttäuschten und sich nunmehr im Wandel befinden. Bei den Unternehmen handelt es sich um H&R Block, dem weltgrößten Anbieter von Steuerdienstleistungen (an dem in 2003 auch Warren Buffett einen Anteil von 9% gehalten hat, sich hiervon jedoch Schritt für Schritt trennte), Limited Brands, einem Anbieter von Damen- und Herrenbekleidung sowie dem Medienunternehmen Time Warner.

H&R Block hat neue Direktoren, ist zur Zeit auf der Suche nach einem neuen CEO und zieht sich gerade aus einem katastrophal verlaufenen Hypothekengeschäft zurück. Limited Brands hat nicht gewinnbringende Geschäftseinheiten verkauft und konzentriert sich derzeit auf seine führenden Markenprodukte. Auch Time Warner wird von einem neuen CEO geführt, der gerade verschiedene Möglichkeiten prüft, den Wert von AOL sowie des Kabelgeschäfts zu steigern.

Zurückblickend muss Nygren zugeben, die Gelegenheit zum rechtzeitigen Verkauf dieser Aktien verpasst zu haben. Die aufgeführten Unternehmen haben nach Nygrens Einschätzung ihre Probleme zwischenzeitlich adressiert und die aktuelle Bewertung ihrer Aktien erscheint ihm zu attraktiv, um diese jetzt noch zu veräußern.

Die vierte Kategorie enthält Aktien, deren Inneren Wert er eindeutig zu hoch eingeschätzt hat, und die dem Oakmark Funds außerordentlich schwere Verluste beschert haben. Dazu gehören die Baumarktkette Home Depots, der Hausbauer Pulte Homes und die Telefongesellschaft Sprint. Dennoch glaubt Nygren, dass die jeweiligen Inneren Werte dieser Gesellschaften ihre momentanen Börsenpreise übersteigen.

Er erwägt jedoch einen möglichen Verkauf dieser Aktien, um die Nachsteuerrendite seines Fonds zu steigern, oder alternativ einen Wechsel in vergleichbar unterbewertete Aktien, die Oakmark noch nicht besitzt. Nach Aussage von Bill Nygren bilden die Unternehmen der vierten Kategorie, zusammen mit denen der ersten Kategorie, die Aktien, die am wahrscheinlichsten zum kurzfristigen Verkauf anstehen.

Die vierte Kategorie beinhaltet darüber hinaus die von Nygren am stärksten gewichtete Aktie, Washington Mutual, eine Bank für Privat- und kleine Geschäftskunden in den USA. Washington Mutual war nach Aussage Nygrens sein kostspieligster Fehler, nachdem klar war, dass ein höherer Prozentsatz von Washington Mutuals Hypotheken von der Krise am Subprime-Markt in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Darüber hinaus führte der bis dato beispiellose Rückgang der US-Hauspreise dazu, dass das Unternehmen heute sehr viel riskanter erscheint, als von Nygren erwartet. Aus den genannten Gründen räumt Bill Nygren ein, dass er Washington Mutual ebenfalls zu höheren Preisen hätte verkaufen müssen.

Auf der anderen Seite weist Washington Mutual nach Nygrens Einschätzung momentan ein sehr attraktives Chance-Risiko-Profil auf, da die Einlagen der Bank nach wie vor solide sind und es seiner Ansicht nach äußerst unwahrscheinlich ist, dass die möglichen Verluste bei Hypotheken den Wert der anderen Geschäfte von Washington Mutual übersteigen.

Nygren führt aus, dass er bei Aktien, die er besitzt, und die stark an Wert verloren haben, sich grundsätzlich selbst die Frage stellt: „Würde ich die Aktie dieses Unternehmens aktuell kaufen, wenn ich nicht bereits in sie investiert wäre?“ Für Washington Mutual beantwortet Nygren diese Frage mit „Ja“.

Zu Beginn des Jahres 2007, kam Washington Mutual auf einen Anteil am Oakmark Select Funds von 15%. Ungeachtet einiger Zukäufe ist die Aktie momentan noch mit etwa der Hälfte ihres Anteils von einst gewichtet und stellt damit nicht mehr die größte Position in Nygrens Aktiendepot dar.

Nachdem der Kurs der Washington Mutual Aktie in diesem Jahr stärker als der von Nygren kalkulierte Unternehmenswert gefallen ist, haben sich ihre künftigen Renditeaussichten verbessert und sind momentan wesentlicher größer, als bei den anderen von Bill Nygren gehaltenen Aktien. Nygren hält es dennoch für unangemessen, den Washington Mutual Anteil in seinem Portfolio wieder auf die ursprüngliche Höhe aufzubauen.

In seinem Brief an die Anteilseigner zieht Nygren das Resümee, dass die Aktien von ausgesuchten Unternehmen zur Zeit mit ungewöhnlich hohen Abschlägen zu ihren tatsächlichen Inneren Werten gehandelt werden. Aus diesem Grund glaubt er, dass momentan eine außerordentlich gute Gelegenheit besteht, seinem Portfolio durch die selektierte Auswahl einzelner Aktien zusätzlichen Wert hinzuzufügen.

Bill Nygren sagt, dass einige der Investments, die er ursprünglich für preiswert hielt, heute noch preiswerter sind. Dies wirke sich zwar negativ auf die aktuelle Rendite aus, eröffne aber größere Chancen, sofern sich diese Aktien erholen. So bleibt Nygren für den eigenen Investmentprozeß zuversichtlich und glaubt, dass er sich rückblickend auf die heutige Zeit an ungewöhnlich attraktive Kaufgelegenheiten erinnern wird.

Aus diesem Grund hat er sein persönliches Engagement im Oakmark Funds erhöht und ermutigt seine Anteilseigner das gleiche zu tun.