Bei einem Aktieninvestment muss sich der Anleger zunächst mit der Bedeutung des Unternehmensgewinns beziehungsweise dem Gewinn je Aktie, auseinandersetzen. Über den Besitz von Aktien nimmt der Anleger in einem Unternehmen die Position des Eigentümers ein.
Gemäß Warren Buffett kommt der Unternehmensgewinn einem persönlichen Gewinn gleich, der sich über die Anzahl der gehaltenen Aktien anteilig im Verhältnis zur Beteiligung am Unternehmen ergibt.
Ein Beispiel:
Das Unternehmen U erwirtschaftet einen Gewinn in Höhe von 2,00 Euro je Aktie. Wenn der Anleger 50 Aktien von U besitzt, hat er einen Gesamtgewinn in Höhe von 100 Euro erworben.
Interpretation des Gewinns pro Aktie
Dem Unternehmen steht es frei, diese 100 Euro Gewinn in Form einer Dividende an den Eigentümer auszubezahlen oder ihn einzubehalten, zu reinvestieren und damit den Inneren Wert des Unternehmens zu steigern. Dabei führt die Erhöhung des Unternehmenswertes im Laufe der Zeit auch zu einem Ansteigen des Gewinns pro Aktie und damit des Aktienkurses, wodurch der Eigentümer wiederum an den vom Unternehmen erwirtschafteten Gewinnen partizipiert.
Nach Ansicht von Warren Buffett sollte ein Unternehmen den gesamten Gewinn einbehalten, sobald es ihn mit einer höheren Rendite reinvestieren kann als der Anleger selbst, wenn er seinen Anteil am Unternehmensgewinn in Form einer Dividende ausgeschüttet bekäme. Da Dividendeneinnahmen steuerpflichtig sind, besteht für den Anleger nicht zuletzt aus steuerlicher Sicht die Notwendigkeit, Gewinne möglichst im Unternehmen zu belassen und dort zu reinvestieren.
Der Gewinn steht den Eigentümern des Unternehmens zu. Insofern können die Eigentümer über die Wahl beziehungsweise die Entlastung von Aufsichtsrat und Vorstand entscheiden, den Gewinn als Dividende auszuschütten oder ihn zum Ausbau der Geschäftsbasis im Unternehmen zu belassen.
Freilich stößt dieser Mechanismus in der Praxis an seine Grenzen, wie schon Benjamin Graham festgestellt hat. Sofern Unternehmen mit unterdurchschnittlichen oder mittelmäßigen Ergebnissen das Geld ihrer Eigentümer in einem unverhältnismäßig hohen Umfang im Unternehmen belassen, oder gar Expansionsversuche unternehmen, bleibt den Minderheitsaktionären oftmals nur die Möglichkeit, ihre Aktien zu verkaufen.
Oftmals kann sich der Eigentümer anhand der Gewinn-Verwendung ein Bild von der Qualität eines Managements machen, indem er versucht festzustellen, ob das Management die Gewinne des Unternehmens für die Eigentümer gewinnbringend einsetzt. Werden Dividenden ausgeschüttet, oder wird der Gewinn einbehalten? Können die im Unternehmen belassenen Gewinne unter Aufrechterhaltung der Rentabilität reinvestiert werden und führen somit im Laufe der Zeit zu einer Steigerung der Gewinne je Aktie?
Laut Warren Buffett sollten die Eigentümer zur Überprüfung der Frage, ob Gewinne vom Unternehmen ausgeschüttet oder einbehalten werden überlegen, ob sie eine bessere Rendite erzielen könnten, wenn sie ihr Kapital aus dem Unternehmen abziehen und in ein anderes Unternehmen investieren würden.
Gelingt es einem Unternehmen dauerhaft, einbehaltene Gewinne mit einer Rendite von zum Beispiel 15% und mehr zu verzinsen, sollten die Eigentümer das Geld im Unternehmen belassen. Andernfalls müsste der Eigentümer die als Dividende ausgeschütteten Beträge im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung versteuern, was zusätzlich zu einer Verringerung seiner Rendite führt. Außerdem stünde der Eigentümer nach der Gewinnausschüttung vor der Aufgabe, für das erhaltene Geld eine neue Anlagemöglichkeiten zu finden.
Im Ergebnis führen diese Zusammenhänge dazu, dass Aktien Ähnlichkeiten zu Anleihen aufweisen, wobei die Verzinsung mit den Gewinnen der einzelnen Geschäftsjahre schwankt. Indem man den Gewinn je Aktie durch den aktuellen Kurswert der Aktie dividiert, erhält man eine dem Anleihezins äquivalente Rendite. Der Kauf einer Aktie zum Kurs von 40 Euro, auf die beispielsweise ein Gewinn in Höhe von 2,00 Euro entfällt, entspricht einer Rendite von 5%.
Auf diese einfache Art und Weise lässt sich die voraussichtliche „Geschäftsrendite“ beim Kauf einer Aktie errechnen. Das Ergebnis ist das gleiche, als wenn man ein ganzes Unternehmen kauft und dessen erwarteten Jahresgewinn ins Verhältnis zum angebotenen Kaufpreis setzt. Daher sollte diese Untersuchung in jedem Fall angestellt werden, egal ob man eine einzelne Aktie oder ein ganzes Unternehmen kauft.