Im Mittelpunkt der Zollpolitik von Donald Trump steht das Bestreben, das Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten mit ihren Handelspartnern zu verringern, wenn nicht gar umzukehren. Im Jahr 2024 belief sich der Handelssaldo der USA auf ein Defizit von insgesamt 1,2 Billionen US-Dollar.
Quelle: The Wall Street Journal
Angesichts der aktuellen Ereignisse möchte ich auf einen interessanten Artikel hinweisen, den Warren Buffett bereits im Jahr 2003 für das FORTUNE Magazine geschrieben hat. Der Artikel befasst sich mit dem wachsenden US-Handelsbilanzdefizit und schlägt eine Lösung zur Behebung des Problems vor.
Da Buffett den Artikel bereits vor mehr als 20 Jahren geschrieben hat, ist unklar, ob er an dem seinerzeit formulierten Lösungsansatz zur Beseitigung der Defizite auch heute noch festhält. Allerdings wurden Berichte in Sozialen Medien, nach denen er die aktuell verhängten Zölle befürwortet, in einer Pressemitteilung von ihm zurückgewiesen.
Ungeachtet dessen äußerte Warren Buffett im Jahr 2003 seine Besorgnis darüber, dass durch das wachsende Handelsbilanzdefizit Amerikas Nettovermögen in alarmierendem Tempo ins Ausland transferiert wird, und diese Entwicklung große Probleme mit sich bringt, sofern sie nicht gestoppt wird.
Um die potenziellen Folgen eines anhaltenden Handelsbilanzdefizits zu veranschaulichen, präsentierte Buffett ein hypothetisches Szenario mit zwei isolierten Volkswirtschaften: Squanderville (to squander = verschwenden) und Thriftville (thrift = Sparsamkeit).
Squanderville und Thriftville
In diesem Szenario arbeiten die fleißigen Bürger von Thriftville 16 Stunden am Tag, produzieren genug Nahrung für sich selbst und exportieren den Überschuss nach Squanderville. Die Squander hingegen leben ohne Mühe, häufen aber Schulden in Form von Squanderbonds an.
Schließlich tauschen die Thrifts diese Anleihen gegen Land in Squanderville, was zu einer Situation führt, in der die Squander längere Arbeitszeiten leisten müssen, um ihre Schulden und die Miete an Thriftville zu bezahlen. Diese Analogie verdeutlicht, wie eine Nation durch Kauf und nicht durch Eroberung aufgrund von Handelsungleichgewichten kolonisiert werden kann.
Daraufhin zieht Buffett eine Parallele zwischen dem Squanderville-Thriftville-Szenario und der Handelssituation der USA. Er stellt fest, dass die USA nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die frühen 1970er Jahre wie Thriftville agierten – also mehr exportierten als importierten – und Netto-Investmenterträge erwirtschafteten.
Dieser Handelsüberschuss kehrte sich jedoch in den späten 1970er Jahren um, was zu zunehmenden Defiziten führte. Bis 2003 überstieg das jährliche Handelsbilanzdefizit 4% des BIP und der Rest der Welt besaß 2,5 Billionen US-Dollar mehr von den USA, als die USA von anderen Ländern besaßen.
Ein Teil dieser 2,5 Billionen US-Dollar ist in US-Staats- und Privatanleihen und ein anderer Teil in Vermögenswerten wie Immobilien und Aktien angelegt. Buffett betonte, dass dieser Vermögenstransfer erheblich ist und etwa 5% des nationalen Vermögens ausmacht und jährlich wächst.
Er weist darauf hin, dass die USA diese Defizite aufgrund ihres bisherigen Finanzverhaltens und ihres Reichtums aufrechterhalten konnten, was es ihnen ermöglichte, ihre „nationale Kreditkarte“ zu verwenden, um „atemberaubende Beträge“ zu belasten.
Warren Buffett warnt jedoch, dass diese Kreditlinie nicht unbegrenzt ist und dass der Handel mit Vermögenswerten gegen Verbrauchsgüter gestoppt werden muss.
Buffetts Lösung: Importzertifikate
Um das Handelsbilanzdefizit zu beheben, schlägt Buffett ein Mittel vor, das er Importzertifikate (ICs) nennt. Dieser Plan beinhaltet die Ausgabe von ICs an US-Exporteure in Höhe des Dollarwerts ihrer Exporte. Importeure würden dann diese ICs benötigen, um Waren in die USA zu bringen, wodurch ein Handelsausgleich geschaffen würde.
Buffett argumentiert, dass dieser Plan die Exporte erhöhen, möglicherweise den gesamten Welthandel steigern und die Bücher ohne einen signifikanten Rückgang des Dollarwerts ausgleichen würde.
Im Rahmen des IC-Plans würde der Wettbewerb den Preis der Zertifikate bestimmen, den Buffett auf etwa 10 Cent pro Dollar Exporte schätzt. Dies würde US-Produzenten einen Vorteil von 10% auf dem Exportmarkt verschaffen, was potenziell zu niedrigeren Preisen für US-Waren auf internationalen Märkten und zu höheren Exporten führen würde.
Ausländer, die in die USA verkaufen, wären mit schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen konfrontiert, aber Buffett argumentiert, dass dies unabhängig von der gewählten Lösung unvermeidlich ist.
Buffett geht auf potenzielle Kritikpunkte an dem IC-Plan ein und räumt ein, dass er zu höheren Preisen für importierte Produkte und einige im Inland produzierte Waren führen würde, was effektiv einer Steuer für die Verbraucher gleichkäme. Er argumentiert jedoch, dass dieser Schmerz weniger schwerwiegend ist als die Folgen, wenn das Handelsbilanzdefizit weiterbesteht und immer größere Teile des Nettovermögens der USA veräußert werden.
Er glaubt, dass ICs umgehend ein US-Handelsgleichgewicht schaffen würden, das über dem aktuellen Exportniveau, aber unter dem aktuellen Importniveau liegt. Der Plan würde alle US-Industrien im globalen Wettbewerb unterstützen, wobei der freie Markt bestimmt, welche Industrien letztendlich erfolgreich sind.
Darüber hinaus argumentiert Warren Buffett, dass große Exportländer wahrscheinlich keine Vergeltung üben werden, da der Plan darauf abzielt, die Bücher des größten Handelsbilanzdefizitlandes der Welt auszugleichen.
Seiner Einschätzung nach ist das wahrscheinliche Ergebnis eines IC-Plans, dass Exportnationen ihren Einfallsreichtum nutzen werden, um Importe aus den USA zu fördern. Infolgedessen würden die US-Exporte deutlich steigen und der Preis für ICs sinken, was den Plan möglicherweise hinfällig machen würde.
Buffett schlägt außerdem eine Übergangszeit mit einem kleinen Defizit vor, damit sich die Welt anpassen kann, und regt an, dass weniger entwickelten Ländern „Bonus“-ICs als eine Form der Entwicklungshilfe gewährt werden könnten.
Zusammenfassung
Auch wenn Amerika seine wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit immer wieder unter Beweis gestellt hat, betonte Warren Buffett in seinem Artikel die Dringlichkeit, den Ausgleich des US-Handelsbilanzdefizits anzugehen. Denn die potenzielle Folge der Untätigkeit, wäre seiner Meinung nach ein fortschreitender rapider Abfluss des nationalen Vermögens der USA.
Er präsentiert den Importzertifikatsplan als eine praktikable Lösung, um den Handel auszugleichen, ohne der Wirtschaft Schaden zuzufügen. Er fordert die politischen Entscheidungsträger auf, Maßnahmen zu ergreifen, um das Schicksal von Squanderville zu vermeiden, wo die Anhäufung von Schulden zu wirtschaftlichen Härten und ausländischer Kontrolle führte.