Die Rolle der US-Börsenaufsicht (SEC)

Nachdem sich David Einhorn im vergangenen Teil mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Rolle die Kredit Rating-Agenturen bei den gegenwärtigen Bankenpleiten gespielt haben, beschäftigt er sich nun mit der amerikanischen Börsenaufsicht, der Securities and Exchange Commission, kurz SEC genannt.

Teil 1: Private Gewinne und verstaatlichte Risiken
Teil 2: Die Risikomodelle der Investmentbanken
Teil 3: Die Rolle der Kredit Rating-Agenturen

Bereits im Jahre 2004 führte die SEC eine neue Bestimmung mit dem Titel “Alternative Net Capital Requirements for Broker-Dealers That Are Part Consolidated Supervised Entities.” ein. Zweck dieser Vorschrift war die Verringerung der regulatorischen Kosten für Börsenmakler beziehungsweise Maklerunternehmen, indem es großen Brokerhäusern die Nutzung ihrer eigenen Risiko-Management-Verfahren für regulatorische Zwecke erlaubte. Nach Angaben der SEC-Website, hatten sehr große Brokerhäuser nun die Möglichkeit, sich freiwillig für eine zusätzliche Aufsicht und die Weitergabe vertraulicher Informationen an die SEC zu entscheiden. Im Gegenzug erwarben sie den Anspruch, dass zukünftig die sogenannte “Alternative Kapitalberechnungsmethode” auf sie angewendet wird.

Während die SEC-Website keine Angaben dazu macht, ob durch die Anwendung dieser “Alternativen Berechnungsmethode” die Eigenkapitalanforderungen an die Unternehmen angehoben oder gelockert werden, besagt die o.g. SEC Bestimmung des Jahres 2004, dass “die bilanziellen Abzüge für Markt- und Kreditrisiken unter der alternativen Methode wahrscheinlich niedriger ausfallen werden”.

Für David Einhorn erscheint es nur allzu offensichtlich, dass den Banken durch die SEC Bestimmung aus dem Jahr 2004 ein Zuckerbrot angeboten wurde, um eine zusätzliche Beaufsichtigung zu akzeptieren. Und auch wenn er glaubt, dass sich alle großen Brokerhäuser für eine freiwillige Beteiligung entschieden haben, hält er es für vernünftig darüber zu spekulieren, dass die neue Bestimmung den Maklerunternehmen eine Absenkung ihrer Eigenkapitalanforderungen erlaubte vorzunehmen.

So wurde durch die neue Bestimmung unter anderem die Definition von sogenanntem vorläufigen Nettokapital verändert, um in dieses auch Wertpapiere einbeziehen zu können, für die es noch keinen aufnahmebereiten Markt gibt. Diese Änderung ist nach Aussage von David Einhorn bedeutsam, da sie das Erfordernis eliminiert, dass ein Wertpapier einen aufnahmefähigen Markt haben muss, um über das Value at Risk Modell (welches unter „Die Risikomodellen der Investmentbanken“ bereits diskutiert wurde) erfasst zu werden.

Im Ergebnis reduzieren diese Anpassungen die Höhe der erforderlichen Kapitalmittel, sodass sich die Banken in zunehmendem Umfang an riskanten Aktivitäten beteiligen konnten. Für David Einhorn wurde die neue SEC Bestimmung seit ihrer Einführung von den Banken augenscheinlich zur Modifikation der Bilanzen genutzt, um aus den neuen Regeln Vorteile zu ziehen. So haben die Institute in großem Umfang niedrig verzinste Anleihen in ihre Portfolios genommen, um dadurch unter der Value at Risk Schwelle zu bleiben. Zudem haben die Banken mehr nicht-marktfähige Wertpapiere aufgenommen, wie z.B. vollständige Schuldscheindarlehen, nachrangig besicherte Anteile von strukturierten Kreditinstrumenten, Private Equity sowie Grundstücks- und Hausbesitz.

Doch damit nicht genug. Nach Aussage von David Einhorn wurden durch die neue SEC Bestimmung auch Änderungen in Bezug auf die Definition des Kapitalbegriffs durchgeführt. So wurde beispielsweise die Aufnahme von nachrangigen Schuldverschreibungen in sogenanntes anrechnungsfähiges Kapital erlaubt, was David Einhorn besonders verblüffend findet, da die Aufnahme von nachrangig besicherten Verbindlichkeiten grundsätzlich als Fremdkapitalfinanzierung einzustufen ist. Beim Lesen der SEC Bestimmungen gewann David Einhorn zunehmend den Eindruck, dass die amerikanische Börsenaufsicht den Brokerhäusern ein Zugeständnis nach dem anderen gemacht hat.

Alles in allem hat David Einhorn den Eindruck gewonnen, dass die großen Broker die Aufsichtsbehörden davon überzeugt haben, ihre eigenen Risiken am besten selbst messen und einschätzen zu können. Gleichzeitig ist es ihnen unter Zuhilfenahme phantasievoller Mathematik gelungen aufzuzeigen, dass sie in der Lage sind, mit geringerem Eigenkapital zusätzliche Risiken aufzunehmen. Einhorn vermutet, dass es sich bei den Banken aus SEC Sicht um große und gut kapitalisierte Institutionen mit intelligenten und anspruchsvollen Risikomanagern gehandelt hat, bei denen kein Anlass für Versagen erkennbar war. Auf diesem Weg kam eine ganze Branche durch die US-Börsenaufsicht (SEC) zu einer günstigen Auslegung zweifelhafter Umstände.