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Gezeitenwechsel

In seinem jüngsten Memo mit dem Titel „Sea Change“ schreibt Howard Marks, dass die Investmentwelt möglicherweise den dritten großen Umbruch der letzten 50 Jahre erlebt.

Die Ereignisse der letzten Jahre, insbesondere der Anstieg der Inflation und die Reaktion der Federal Reserve, scheinen eine Umkehrung der Marktbedingungen verursacht zu haben, die nach der globalen Finanzkrise und während eines Großteils der letzten vier Jahrzehnte herrschten.

Marks erörtert, was diese potenziell neue Ära für Kreditgeber und insbesondere für Schnäppchenjäger bedeuten könnte.

Howard Marks Memo: Sea Change
Quelle: oaktreecapital.com

Laut Howard Marks ist die 40-jährige Ära sinkender Zinsen vorbei und zwingt die Anleger dazu, ihre Strategiepariere über Bord zu werfen, die vor allem in den letzten zehn Jahren gut funktioniert haben.

Seiner Meinung nach bedeutet die Bodenbildung der Zinssätze eine große Veränderung für Investoren. Marks betont, die Begrifflichkeit der großen Veränderung nicht leichtfertig zu verwenden und argumentiert, dass dies erst der dritte derartige Umbruch in seiner 53 Jahre währenden Tätigkeit als Investor ist.

Risiko- und renditeorientierte Denkweise

Der erste Umbruch fand in den frühen 1970er Jahren statt, als die Anleger bei ihren Investitionen eine risiko- und renditeorientierte Denkweise annahmen.

Beispielsweise bestand eine umsichtige Investition in Anleihen früher darin, nur vermeintlich sichere Investment-Grade-Anleihen zu kaufen. Dagegen können Investmentmanager heutzutage Anleihen von fast jeder Qualität erwerben, solange sie für das damit verbundene Risiko angemessen entschädigt werden.

Das Universum der hochverzinslichen Anleihen in den USA belief sich im Jahr 1978, als Howard Marks damit begann, in diese Wertpapiere zu investieren, auf etwa 2 Milliarden US-Dollar. Heute sind es etwa 1,2 Billionen US-Dollar.

Langfristiger Rückgang der Zinssätze

Der zweite Umbruch erfolgte, nachdem die Federal Reserve unter Paul Volcker Anfang der 1980er Jahre die Zinssätze in dem Bemühen, die Inflation zu bekämpfen, auf ein horrendes Niveau anhob und damit die Ära sinkender Zinssätze einläutete, die nun zu Ende gegangen ist.

Da es Volcker gelang, die Inflation unter Kontrolle zu bringen, konnte die Fed den Leitzins auf einen hohen einstelligen Prozentsatz senken und ihn für den Rest der 1980er Jahre auf diesem Niveau halten, bevor er in den 1990er Jahren auf einen mittleren einstelligen Prozentsatz gesenkt wurde.

Damit leitete er ein Umfeld sinkender Zinssätze ein, das vier Jahrzehnte lang anhielt. Da die sinkenden Zinssätze für einen großen Teil des Geldes verantwortlich waren, das die Anleger in der Zwischenzeit verdient haben, könne dieser Rückenwind gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, so Howard Marks.

Der langfristige Rückgang der Zinssätze begann nur wenige Jahre nach dem Aufkommen des Risiko-Rendite-Denkens. Daher vertritt Howard Marks die Ansicht, dass die Kombination der beiden Faktoren (a) die Wiedergeburt des Optimismus unter den Anlegern, (b) das Streben nach Gewinn durch aggressive Anlageformen und (c) unglaubliche vier Jahrzehnte für den Aktienmarkt zur Folge hatte.

So stieg der S&P 500 von einem Tiefststand von 102 Punkten im August 1982 auf 4.796 zu Beginn des Jahres 2022, was einer durchschnittlichen jährlichen Rendite von 10,3% pro Jahr entspricht.

Phase seit der globalen Finanzkrise

In jüngerer Zeit war der Zeitraum zwischen dem Ende der globalen Finanzkrise 2007-2008 und dem Beginn der COVID-Pandemie im Jahr 2020 durch extrem niedrige Zinssätze gekennzeichnet.

Laut Howard Marks herrschte bei vielen Anlegern in der Zeit von 2009 bis 2021 (mit Ausnahme einiger Monate im Jahr 2020) Optimismus vor. Die Sorgen hielten sich in Grenzen, während die niedrige Inflation den Zentralbanken eine lockere Geldpolitik ermöglichte.

Da der risikofreie Zinssatz bei Null lag, die Angst vor Verlusten nicht vorhanden war und die Menschen begierig darauf waren, riskante Investitionen zu tätigen, war es eine frustrierende Zeit für Kreditgeber und Schnäppchenjäger, die sich auf Value Investing und Risikokontrolle konzentrieren.

Seitdem hat die US-Notenbank als Reaktion auf den größten Inflationsanstieg seit fast vier Jahrzehnten die Zinssätze aggressiv erhöht. Die Aktienmärkte sind im Jahr 2022 ins Straucheln geraten. Der S&P 500 befindet sich in einem Bärenmarkt und hat im bisherigen Jahresverlauf immer noch mehr als 15% verloren.

Ausblick

Nach Einschätzung von Howard Marks dürften die Inflation und die Zinssätze in der vor uns liegenden Zeit die wichtigsten Faktoren für das Investitionsumfeld bleiben, wobei der Leitzins seiner Ansicht nach in den nächsten Jahren eher bei 2-4% als bei 0-2% liegen dürfte.

Unterm Strich erscheinen ihm die derzeitigen Bedingungen ganz anders und vor allem ungünstiger, als als im Anschluss an die Finanzkrise. Marks schreibt, dass „wir von der Welt der niedrigen Renditen von 2009-2021 zu einer Welt der vollen Renditen übergegangen sind, und dass sich dies in naher Zukunft noch verstärken könnte“.

Da Howard Marks Beobachtungen zum Anlageumfeld in erster Linie auf Eindrücken und Schlussfolgerungen und nicht auf Daten beruhen, hat er eine Liste von Eigenschaften erstellt, die die Veränderung der Umgebung zwischen den Jahren 2009-2021 und heute beschreiben.

Tabelle: Anlageumfeld 2009-2021 und heute

Anleger können jetzt potenziell solide Renditen aus Kreditinstrumenten erzielen, was bedeutet, dass sie nicht mehr so stark auf risikoreichere Anlagen angewiesen sind, um ihre allgemeinen Renditeziele zu erreichen.

Abschließend gibt Howard Marks zu bedenken, dass sich das momentane Umfeld gegenüber den letzten 13 Jahren (sowie den meisten der letzten 40 Jahre) stark verändert hat und möglicherweise auch weiterhin verändern wird.

Seine Schlussfolgerung ist, dass die Anlagestrategien, die in diesen Zeiträumen am besten funktioniert haben, in den kommenden Jahren möglicherweise nicht mehr die besten sein werden.

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In Kategorie: Miscellaneous

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Guten Tag, mein Name ist Mario Wolff. Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Value Investing. Wenn Du magst, kannst Du meinem Blog auf Twitter folgen oder den Feed abonnieren.

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