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Mr. Market im Herbst 2022

Das bisherige Börsenjahr 2022 verlief recht außergewöhnlich. Der S&P 500 ist mit seinem am 12. Oktober erreichten Tiefststand von 3.577,03 Punkten seit Jahresbeginn um 24,9% gefallen. Mit einem Wertverlust von rund 30% in der 20-jährigen US-Staatsanleihe, haben Anleihen sogar noch schlechter abgeschnitten.

In seinem Marktkommentar für das 3. Quartal 2022 weist Bill Nygren darauf hin, dass die Vermögensallokation zwischen Aktien und Anleihen in diesem Jahr keine große Rolle gespielt hat. Denn das klassische 60/40-Portfolio (60% Aktien und 40% Anleihen) könnte je nach Laufzeit der Anleihen noch mehr verloren haben, als ein reines Aktienportfolio.

Unter der Annahme, dass Anleger ein solches 60/40-Portfolio zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten verwenden, könnte der Portfoliowert leicht um 30% gesunken sein. Unter Berücksichtigung der Inflation von 8%, weist Bill Nygren darauf hin, dass viele Portfolios über 35% ihrer Kaufkraft verloren haben dürften.

Außergewöhnlich in 2022 ist, dass lang laufende Anleihen stärker an Wert verloren haben, als Aktien!

In den letzten 30 Jahren gab es insgesamt sechs Jahre, in denen der S&P 500 im Minus lag. Dabei betrug der durchschnittliche Verlust 15%. Die durchschnittliche Rendite des „Bloomberg 20-year+ Government Bond Index“ betrug in diesen sechs Jahren plus 13%. In dem einzigen Jahr, in dem der Index negativ war, lag der Verlust bei 2%.

Das Jahr 2022 als Ausreißer zu bezeichnen, hält Nygren für eine Untertreibung. Denn normalerweise sind Anleihen weniger volatil, als Aktien. Zudem sind beide Anlageklassen nicht stark miteinander korreliert.

Wenn sich Anleger beispielsweise über eine Konjunkturabschwächung Sorgen machen, steigen Anleihen normalerweise im Preis, während Aktien fallen und umgekehrt, wenn sie mit einer wirtschaftlichen Erholung rechnen. Normalerweise führt das Halten von Anleihen zusammen mit Aktien zu einem weniger volatilen Portfolio.

Bill Nygren zum aktuellen Bärenmarkt

Laut dem Research von Bill Nygrens Investmentfirma Oakmark Fund, ist der Aktienmarkt in den letzten 77 Jahren elf Mal um über 20% gefallen. Der Median-Rückgang nach einem Kursverlust um 20% betrug weitere 10%, während der endgültige Tiefpunkt im Median 117 Tage später aufgetreten ist. Wie verhält es sich im Börsenjahr 2022?

Am 13. Juni ging der S&P 500 zum ersten Mal in diesem Jahr um mehr als 20% zurück. In den 121 Tagen bis zu seinem am 12. Oktober erreichten Tief, hat der Index weitere 4,6% verloren. Statistisch betrachtet, befinden wir uns also innerhalb von wenigen Tagen und einem Verlust von einigen Prozentpunkten in einem normalen Bärenmarkt.

Bill Nygren räumt ein, dass sich die aktuelle Baisse natürlich noch weiter ausdehnen könnte, was in der Hälfte der vorherigen Bärenmärkte auch der Fall war. Es ist für ihn jedoch beruhigend zu wissen, dass wir den typischen Bärenmarkt bereits erlebt haben.

Darüber hinaus hat Nygren schon in seinem Marktkommentar für das 2. Quartal 2022 gezeigt, dass der Aktienmarkt nach einem Bärenmarkt dazu neigt, stärker als gewöhnlich zu steigen. Nachdem der Markt um 20% gefallen war, betrug der durchschnittliche zweijährige Anstieg 33%. Dies bedeutet, dass der Aktienmarkt seine Verluste in der Vergangenheit normalerweise innerhalb von zwei Jahren wieder aufgeholt hatte.

Die Tendenz, dass gute Phasen auf schlechte folgen und umgekehrt, ist mit ein Grund dafür, dass die langfristigen Risiko-Rendite-Eigenschaften von Aktien so günstig sind. Die folgende Tabelle zeigt die durchschnittlichen 1-, 5-, 10- und 20-Jahres Gesamtrenditen für den S&P 500 für die letzten 77 Jahre sowie die besten und schlechtesten Renditen in jedem Zeitraum.

Renditen am Aktienmarkt
Quelle: Oakmark Fund

In der obigen Tabelle gibt zwei Dinge, auf die Bill Nygren aufmerksam machen möchte. Das Erste ist die vermögensbildende Kraft des Zinseszins. Wenn Anleger am Aktienmarkt 20 Jahre lang investiert bleiben, haben sie Ihr Kapital im Durchschnitt fast verneunfacht.

Als Zweites bittet Nygren zu beachten, dass die niedrigste Zahl in der Tabelle die schlechteste Einjahresrendite darstellt. Ein Verlust von 39%. Mit zunehmender Zeit verbessern sich jedoch nicht nur die durchschnittlichen Ergebnisse, auch die schlimmsten Verluste werden kleiner. In einem 20-Jahres-Zeitraum war das schlechteste Ergebnis gar ein Gewinn von 155%.

Fazit

Im Jahr 2022 wurde an der Börse sehr viel Kapital vernichtet, da sowohl Aktien als auch Anleihen Bärenmärkte erlebten und die Kaufkraft der Anlegerportfolios durch die hohe Inflation untergraben wurde.

Bill Nygren schätzt, dass allein in den Vereinigten Staaten Aktien 14 Billionen US-Dollar an Wert verloren haben, Anleihen weitere 8 Billionen US-Dollar und die Inflation abermals 6 Billionen US-Dollar vernichtet hat. Kombiniert bedeutet dies einen Rückgang der Kaufkraft um 28 Billionen US-Dollar, weshalb das aktuelle Börsenjahr als wirklich außergewöhnlich bezeichnet werden kann.

In Kategorie: Börse

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Veröffentlicht von

Guten Tag, mein Name ist Mario Wolff. Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Value Investing. Wenn Du magst, kannst Du meinem Blog auf Twitter folgen oder den Feed abonnieren.

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