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Über die schmerzhafte Entscheidung Bargeld zu halten

In seinem Brief an die Anteilseigner für das Jahr 2004 sprach Seth Klarman über die schmerzhafte Entscheidung Bargeld zu halten. Klarman ist dafür bekannt, periodisch über eine beträchtliche Menge an Bargeld zu verfügen, um dieses bei sich bietenden Gelegenheiten einzusetzen.

In seinem Anfang 2005 veröffentlichten Brief an die Anleger der Baupost Group berichtete Klarman über seine Entscheidung auf Bargeld umzusteigen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der amerikanische Aktienindex Standard and Poor’s 500 mit einem KGV von etwa 20 gehandelt. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis lag bei einem Wert von 2,9 und das Kurs-Umsatz-Verhältnis betrug 1,5.

Momentan notieren die S&P 500 Unternehmen zum 4,7-fachen ihres Buchwertes und zum 3,2-fachen ihrer Umsätze. Auf Basis der Gewinne der letzten 12 Monate liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis bei etwa 34. Legt man den zeitgewichteten Durchschnitt der Konsensschätzungen für das laufende und das kommende Jahr zugrunde, wird der S&P 500 zum etwa 21-fachen der auf ihn entfallenden Gewinne gehandelt.

Bei einem Vergleich von damals und heute ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen zum Jahresende 2004 noch bei 4,25% lag, während sie aktuell auf 1,34% zurückgegangen ist.

Hier ist, was Seth Klarman über das Halten von Bargeld gesagt hat.

Auszug aus dem Jahresbrief 2004 der Baupost Group, L.L.C., veröffentlicht in 2005

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Anleger mit einer Krise niedriger Renditen konfrontiert sind: weniger Rendite als sie wollen oder erwarten und weniger Rendite als viele von ihnen benötigen. Anleger müssen zwischen zwei Alternativen wählen. Eine besteht darin, Aktien und Anleihen zu den historisch hohen Preisen zu halten, die an den heutigen Märkten vorherrschen, um sich so die traditionell unterdurchschnittlichen Renditen zu sichern.

Wenn die Preise niemals sinken und die Renditen dadurch auf ein normaleres Niveau zurückkehren, ist dies die richtige Entscheidung gewesen. Wenn die Kurse jedoch sinken und damit die voraussichtlichen Renditen der Wertpapiere erhöhen, werden Anleger potenziell erhebliche Verluste erleiden und damit deutlich schlechter abschneiden, als wenn sie geduldiger gewesen wären.

Die Alternative ist liquide zu bleiben. Dem ständigen Trommelschlag des Performancedrucks zu trotzen und darauf zu warten, dass die Kurse zumindest einiger Wertpapiere fallen (Man braucht nicht den gesamten Markt, der preisgünstig wird, sondern nur eine begrenzte Anzahl von Wertpapieren).

Dieser Weg birgt auch das Risiko, dass es keine Gewissheit gibt, ob und wann dies eintreten wird. Tatsächlich könnten die Wertpapierkurse von den heutigen hohen Niveaus weiter steigen, was die Entscheidung Bargeld zu halten, noch schmerzlicher macht. Das Streben nach besseren Renditen beinhaltet eine (möglicherweise lange) Phase sehr niedriger (wenn auch sicherer) positiver Renditen, die aus den heutigen kurzfristigen US-Staatsanleihen erhältlich sind.

Obwohl wir starke Vermutungen haben, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, welcher Weg sich als der klügste erweisen wird. Klar ist, dass sich fast jeder für ersteres entscheiden wird. Diejenigen, die im Anlagegeschäft auf der Grundlage kurzfristiger, relativer (nicht absoluter) Anlageergebnisse konkurrieren, ziehen es vor, der Herde zu folgen (zum Preis einer gesicherten Mittelmäßigkeit), anstatt sich abzuheben (mit dem Risiko einer starken Unterperformance).

Wie viel besser ist es aus betriebswirtschaftlicher Sicht, aktiv Kapital einzusetzen, auch wenn die Investitionen mittelmäßig sind, als neutral zu bleiben. Die Mitarbeiter sind beschäftigt, die Kunden verwechseln Entscheidungen mit Sorgfalt, Aktivität mit Einsicht und eine voll investierte Haltung mit einem wertvollen Portfolio.

Die meisten Anleger würden die gleiche Wahl treffen. Schließlich ist der Mensch nur mit einer begrenzten Geduld ausgestattet. Nur wenige sind in der Lage, über die kurzfristigen Renditen hinauszublicken. Und heute scheint alles bessere Renditen zu bieten, als Bargeld. Aufgrund ihres relativen Performance- und wettbewerbsorientierten Charakters verabscheuen Anleger auch die Möglichkeit einer Unterperformance, die durch das Sitzen an der Seitenlinie entsteht.

Sie finden es besser, im Spiel zu sein (es sei denn, der Markt fällt). Am wichtigsten ist, dass sie sich stark an der Gier (wie viel können sie verdienen?) und weg von der Angst (wie viel können sie verlieren?) des Spektrums möglicher Anlegeremotionen orientieren. Kurz gesagt, Anleger bleiben die vollendeten „Renditefresser“, die hohe Renditen anstreben, ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit, diese auch tatsächlich zu erzielen oder das dabei eingegangene Risiko einzubeziehen.

Wetten, dass die Märkte niemals zu historischen Normen zurückkehren, dass wir uns in einer neuen Ära höherer Wertpapierkurse und niedrigerer Renditen befinden, birgt das Risiko eines erheblichen Kapitalverlustes. Zu wetten, dass die Preise irgendwann fallen werden, ist mit Opportunitätskosten in ungewisser Höhe verbunden. Durch das Halten von teuren Wertpapieren mit geringen Renditeaussichten entscheiden sich die Leute dafür, einen tatsächlichen Verlust zu riskieren.

Wir ziehen das Risiko einer verpassten Gelegenheit dem eines verlorenen Kapitals vor und stimmen voll und ganz der Meinung des angesehenen Value Investors Jean-Marie Eveillard zu, als er sagte: „Ich würde lieber die Hälfte unserer Aktionäre, als die Hälfte des Geldes unserer Aktionäre verlieren.“

Investoren erwarten von dem Management eines Unternehmens sorgfältig begründete Entscheidungen, etwa ob sie ihr Kapital für den Bau neuer Fabriken einsetzen, zusätzliches Personal einstellen oder einen Wettbewerber übernehmen. Ein Management, das Kapital zu niedrigen Renditeerwartungen investiert, nur weil es über die Mittel verfügte und nichts Besseres zu tun hatte, würde unweigerlich den Zorn der Anleger wecken.

Warum sollte dann ein Anleger (Hedgefonds, Investmentfonds oder Einzelperson) immer 100% seines Kapitals in marktgängige Wertpapiere investieren und dabei weder die analytische Strenge noch die intellektuelle Ehrlichkeit anwenden, die er von der zugrunde liegenden Unternehmensführung verlangen würde?

Wie wir bereits im letzten Jahr gesagt haben, warum sollte nur die unmittelbare Gelegenheit in Betracht gezogen werden, wenn die morgige durchaus fruchtbarer sein kann, als die heutige?

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In Kategorie: Miscellaneous

Über den Autor

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Guten Tag, mein Name ist Mario Wolff. Ich beschäftige mich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Value Investing. Wenn Du magst, kannst Du meinem Blog auf Twitter folgen oder den Feed abonnieren.

4 Kommentare

  1. Hallo Bernd,

    besten Dank für Deinen Kommentar!

    Das Buch habe ich ebenfalls gelesen. Charlie Munger ist ein Paradebeispiel wenn es darum geht, die notwendige Disziplin beim Investieren aufzubringen.

    Vor seinem Alibaba Kauf im 1. Quartal hat er ganze sechs Jahre nicht gehandelt. Ich beziehe mich damit auf das Portfolio, dass er für die Daily Journal Corp. managt.

    Viele Grüße
    Mario

  2. Hi Mario,
    geistig kann ich dieser Logik durchaus folgen. Es ist nur verdammt schwer, zu sehen, dass man gegen seine Benchmark verliert bzw. darauf zu vertrauen, dass die nächste Möglichkeit kommt.

    Vermutlich ist es eine Sache der Erfahrung, dieses Vertrauen aufzubringen. Zumindest sehe ich das Thema immer gelassener, mit jedem Tag, den ich älter werde. (Ich sagte gelassener, nicht „gelassen“ ?)

    Sehr schöner Beitrag. Danke dafür.

  3. Hallo André,

    psychologisch habe ich das gleiche Problem, weshalb ich in der Vergangenheit auch praktisch immer voll investiert war. Daher war mein Beitrag sozusagen eine interne Auseinandersetzung mit diesem „vermeintlichen“ Problem in einer Zeit, in der sich der Aktienmarkt von seiner langfristigen Wertentwicklung her nach oben verabschiedet hat.

    Viele Grüße
    Mario

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